Europäische Flüchtlingskrise : Aufruf zu mehr Einigkeit - und neuer Streit
Die Stimmung vor dem Koalitionstreffen ist
ohnehin schon angespannt: Der CSU-Finanzminister Söder forderte erneut,
den Zuzug von Asylbewerbern zu begrenzen. SPD-Chef Gabriel sieht die
Handlungsfähigkeit der Regierung bedroht - und fordert daher ein Ende
des Streits.
SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel erhebt in
der Flüchtlingskrise schwere Vorwürfe gegen die Unionsparteien.
"Angesichts der großen Herausforderung unseres Landes wegen der starken
Zuwanderung von Flüchtlingen bedroht der Streit zwischen CDU und CSU
inzwischen die Handlungsfähigkeit der Regierung", sagte Gabriel
gegenüber "Spiegel Online". "Je länger der Streit in der Union andauert,
desto mehr Menschen werden sich von der Politik abwenden und desto mehr
werden die Rechtsradikalen an Boden gewinnen."
Doch nach Ansicht von ARD-Korrespondent Tom
Schneider ist diese Aussage Gabriels etwas "doppelzüngig", denn der SPD
dürfte der Streit innerhalb der Union nicht unrecht sein - nicht zuletzt
weil die SPD das Thema Transitzonen vermeiden wolle.
CSU-Chef Horst Seehofer hatte den Kurs von
Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik mehrfach
kritisiert. Er forderte eine Kehrtwende und drohte an, dass Bayern sonst
weitere Schritte prüfen werde. Derzeit kommen in Bayern täglich
Tausende Flüchtlinge im Raum Passau an.
Forderungen aus der CDU
Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU)
widersprach Gabriel im gemeinsamen "Morgenmagazin" von ARD und ZDF. Die
SPD würde sich seit Wochen einer Lösung verweigern und müsse sich
endlich "in der Frage von Transitzonen bekennen".
Vor dem Koalitionsgipfel am Sonntag forderten
zudem weitere Unionspolitiker zusätzliche Maßnahmen zur Begrenzung der
Flüchtlingszahlen. Nach dem kürzlich in Kraft getretenen Asylpaket
müssten schnell weitere Schritte folgen, sagte CDU-Präsidiumsmitglied
Jens Spahn dem "Handelsblatt". Er hob hervor: "Wir brauchen eine
Begrenzung des Familiennachzugs. Es müssen Transitzonen geschaffen
werden, mit denen Migranten an der Grenze zurückgewiesen werden können.
Und wir müssen die Abschiebungen weiter beschleunigen."
Der Vorsitzende des Parlamentskreises
Mittelstand, Christian von Stetten (CDU), forderte Ergebnisse von dem
Dreiertreffen. In der Unionsfraktion würden Anträge vorbereitet, um die
Regierung aufzufordern, den Zuzug zu begrenzen. "Wir warten ab, was die
Regierung am Wochenende beschließt. Ob wir einen der möglichen Anträge
unterstützen, sehen wir dann am Montag", sagte von Stetten.
Aufruf zur Einigung
Dagegen mahnte Unionsfraktionsvize Thomas Strobl
(CDU) auch mit Blick auf die jüngsten Äußerungen aus der CSU mehr
Geschlossenheit an: "Es hilft in der Diskussion zwischen den
Unionsschwestern nicht weiter, Drohkulissen aufzubauen. Nichts schadet
uns mehr als öffentlicher Streit."
Auch EU-Kommissar Günther Oettinger rief die
Spitzen der Koalition auf, den Streit in der Flüchtlingspolitik umgehend
beizulegen. "Wir erleben in einigen EU-Ländern einen Rechtsruck, die
Rechtspopulisten gewinnen an Zustimmung. Die deutsche Bundesregierung
ist für uns ein wichtiger Hort der Stabilität", sagte Oettinger der
"Rheinischen Post". Die Zusammenarbeit in der Großen Koalition infrage
zu stellen, sei nicht sachdienlich, sagte der CDU-Politiker.